Die Grafen und Fürsten von Nassau

Urkundlich bezeugt sind die Grafen zuerst um 1100 an der unteren Lahn, wo sie sich
zunächst nach der Burg Laurenburg nannten. Zur gleichen Zeit müssen sie auch bereits über
Rechte im Siegerland verfügt haben. Um 1120 erbauten Gf Rupert I. und sein Bruder Arnold
(erwähnt bis 1148) die Burg Nassau, deren Name das Geschlecht um 1159/60 übernahm.
Um 1160 oder kurz vorher erhielten sie zusammen mit den Grafen v. Katzenelnbogen das
arnsteinsche Erbe im Einrich.

Eine zielstrebige Erwerbspolitik bezog sich auf Erbschaften im Taunus, auf Vogteirechte des
Wormser Hochstifts und des Klosters Bleidenstadt, auf Reichslehen im Dill-, Westerwaldund
Lahngebiet wie auch in und um Wiesbaden. Der unter den Staufern anhaltende Aufstieg
stockte im zweiten Drittel des 13. Jh.´s unter dem Druck der Erzbischöfe von Mainz und
endete mit der Bruderteilung des Jahres 1255. Diese schuf – durch eine Trennungslinie längs
der Lahn geteilt – zwei dauernd gesondert verbliebene, nach ihren Begründern benannte
Hauptlinien:
die ottonische1) im Norden mit Siegen/Herborn/Dillenburg und
die walramische1) im Süden mit Weilburg/Idstein/Wiesbaden.
Innerhalb dieser Hauptlinien sind zahlreiche weitere Teilungen charakteristisch geblieben für
das nass. Grafengeschlecht.

Die walramische Linie hat mit den Söhnen ihres Gründers den dt. König Adolf, den Trierer
Erzbischof Dieter und den Utrechter Bischof Johann (1276-88) hervorgebracht. Gf. Gerlach,
der Königssohn, hat die territoriale Stellung seines Hauses gefestigt, hat 1326 die
Pfandschaft auf Burg und Herrschaft Neuweilnau mit Usingen erworben; sein Enkel Philipp I.
, politisch besonders aktiv, der bereits 1393 die Herrschaften Kirchheimbolanden und Stauf
in der Pfalz geerbt hatte, hat dann 1405 Neuweilnau und Usingen endgültig gekauft.
Die erste Teilung der walramischen Lande war 1355 unter Gf Gerlachs Söhnen Adolf I. und
Johann I. erfolgt, womit die Idstein/Wiesbadener und die Weilburger Linie entstanden waren.
Aus der ersteren stammen die vier Erzbischöfe/Kurfürsten, die zwischen 1346 und 1475 in
Mainz residierten: Gf. Gerlachs gleichnamiger Sohn, dessen beiden Neffen Adolf I. u.
Johann II. und deren Großneffe Adolf II.

Im gleichen Jahr 1355 wurde auf Betreiben der Gräfin Irmgard, Gerlachs zweiter Frau, für
ihre beiden Söhne eine Herrschaft N.- Sonnenberg ausgesondert, die nun von Ruprecht ,
dem einen der beiden, für sein kriegerisches u. politisches Wirken geschickt benutzt wurde
und nach dem Tod seiner eigennützigen Witwe Anna 1404 an das nass. Haus zurückfiel.
Gf Adolf II., Sohn des Begründers der Idstein/Wiesbadener Linie, und besonders sein Enkel
Adolf III. haben sich in der Reichspolitik hervorgetan. In der Weilburger Linie hatte ihr Stifter
Johann I. nach seiner ersten Heirat 1350 die Herrschaft Merenberg geerbt, hatte Einfluß in
der Grafschaft Solms und in Wetzlar wie auch in den kurmainzischen Ämtern gewonnen und
war 1366 gefürstet worden. Seine zweite Heirat legte den Grund zum Anfall der Grafschaft
Saarbrücken, der 1381 unter seinem Sohn Philipp I. erfolgte und 1442 zur Bildung der
Nassau-Saarbrücker Linie führte. Diese ist nach mehrmaligem Wechsel (insbes. 1574) 1602
erloschen und an die Weilburger Linie gefallen, 1629 aber neu erstanden. 1605 hatte die
Weilburger Linie auch die Idstein-Wiesbadener Grafen beerbt, so daß nun in ihr wieder alle
n.-walramischen Gebiete vereinigt waren, und zwar in der Hand Gf Ludwigs II., der die
Verwaltung seiner zerstreuten Landesteile geschickt gestrafft hat.

1629, zwei Jahre nach Ludwigs Tod, gründeten seine Söhne drei neue Linien für den
walrarnischen Bestand: Gf Johannes die Linie Idstein/Wiesbaden mit der Herrschaft Lahr, Gf
Ernst Casimir (t.1655) die Linie Weilburg mit ReicheIsheim, Kirchheimbolanden und Stauf
und Gleiberg/Hüttenberg, Gf Wilhelm Ludwig die Gfsch. Saarbrücken/Ottweiler/Usingen mit
Alt- u. Neuweilnau, Kirberg, Jugenheim und Wöllstein. Die letztere zerfiel 1659 erneut in drei
Linien: Saarbrücken, Ottweiler und Usingen. Die Usinger wurde 1688 gefürstet. Hier hat die
kluge und tatkräftige Fürstin Charlotte Amalie (3079) 1718-35 ihr vormundschaftliches
Regiment geführt, das sich durch eine fortschrittliche Innenpolitik auszeichnete. 1723 hatte
sie nach dem Tod Gf Karl Ludwigs den Saarbrücker und damit auch den diesem zwei Jahre
zuvor überlassenen Idstein/Wiesbadener Landesteil des Fürsten Georg August Samuel
geerbt sowie fünf Jahre später den Ottweiler Zweig nach dessen Aussterben, so daß seit
1728 die walrarnischen Lande sich auf Usingen und Weilburg konzentrierten; 1737 wurde
auch N.-Weilburg in den Reichsfürstenstand erhoben. Fürst Karl, der Charlotte Amalie
ältester Sohn, hat die Regierung 1744 von Usingen nach Wiesbaden verlegt, während er
seine Residenz im soeben vollendeten Biebricher Schloß aufschlug; sein jüngerer Bruder
Wilhelm Heinrich II., den jener noch bis 1742 vormundschaftlich vertrat, hatte 1735 die
Saarbrücker Lande erhalten. 1797 ist die N.-Saarbrücker Linie erloschen; die ehem. nass.
Saarlande sind 1797 an Frankreich und 1815 an Preußen gefallen.

Der ottonische Zweig des Hauses Nassau wurde 1303 unter Gf Ottos I. Söhnen geteilt: Gf
Emich erhielt Hadamar, Heinrich I. erhielt die Siegerländer Rechte und die Herrschaften
Haiger und Westerwald, während ihrem Bruder Johann Dillenburg zukam. Nach dessen Tod
1328 fiel sein Anteil an die Linie Siegen, mit der sie nach Heinrichs Tod 1343 als N.-
Dillenburger Zweig fortgeführt wurde. 1388 erwarb sie die Gfsch. Diez und 1394 fiel ihr das
Gebiet der ausgestorbenen Linie Hadamar zu. Des letztgenannten Heinrichs Bruder Otto II.
hat durch seine Heirat den Grund gelegt zum Anfall der Herrschaft Breda in Brabant. Sein
Enkel Engelbert wurde der Stifter der Linie N.-Breda; mit der Herrschaft Polanen und Leck im
heutigen Südholland erbte er weiteren ausgedehnten Besitz u. a. auch um Breda, das nass.
Residenz wurde. Damit hatte die Verbindung mit den Niederlanden begonnen, die dem
Haus N.-Dillenburg hohen Ruhm einbringen sollte. Weitere Herrschaften in den
Niederlanden erwarb sein Sohn Johann IV.

Ihm wurden 1447 u. 1449 die niederländischen Besitzungen zugeteilt, und nach dem Tod
seines Bruders Heinrich II. (1414-50) übernahm er auch dessen dt. Stammlande, so daß er
1450 das Gesamtgebiet der ottonischen Linie vereinigen konnte. Er wie auch sein Vater Gf
Engelbert I. und sein Sohn Engelbert II. (1451-1505) haben sich in der großen Politik im
Bereich und im Dienst der burgundischen Herzöge Philipp d. Guten und Karl d. Kühnen wie
auch dessen Tochter Maria und ihres Mannes Kg Maximilian I. hervorragend bewährt.
Johanns IV. zweiter Sohn Johann V. erhielt, als 1495 die Herrschaftsgruppen erneut geteilt
wurden, die dt. Stammlande, die er dann von Dillenburg aus regiert hat.
Durch seine Heirat mit Elisabeth (1466-1523), Tochter aus der Ehe des hess. Landgrafen
Heinrichs III. mit der Erbtochter des letzten Katzenelnbogener Grafen Philipp d. Ä., hatte er
Aussicht auf das reiche Katzenelnbogener Erbe, das auch von seiten Hessens beansprucht
wurde; der nach Eintritt des Erbfalls 1479 anhebende Streit ist erst nach fast 80 Jahren unter
seinem Sohn Wilhelm d. Reichen zugunsten Hessens entschieden worden. Johanns V.
ältester Sohn Heinrich III. regierte in den Niederlanden, wo er seinen Onkel Engelbert II.1504
im Besitz der Linie N.-Breda beerbt hatte. Er stand in engen Beziehungen zu Herzog Philipp
d. Schönen von Burgund ( 1506) und dessen Sohn, dem späteren Kaiser Karl V.

Durch seine Ehe mit der Tochter des letzten Fürsten von Orange in Südfrankreich fiel
diese Herrschaft seinem Sohn Renatus zu, der seit 1530 den Titel eines Fürsten v. N.-
Oranien führte.
Nach seinem kinderlosen Tod 1544 erhielt seine Erbschaft sein Vetter Wilhelm, der älteste
Sohn seines Vaterbruders Wilhelm des Reichen v. N.-Dillenburg: Wilhelm v. Oranien, gen.
der Schweiger, der größte Sohn des Hauses Nassau, seit 1574 Statthalter der Niederlande
und deren Führer im Freiheitskampf, Begründer des Hauses Nassau-Oranien, das seit 1815
die Herrscher der Niederlande gestellt hat. Seine Söhne und Enkel – vor allem sein Sohn
Fürst Moritz v. Oranien – haben sein Werk fortgesetzt. Sein Urenkel, Fürst Wilhelm III. v.
Oranien (t 1702), bestieg 1688 als Schwiegersohn Jakob Stuarts II. den englischen Thron.
In Dillenburg folgte Wilhelms d. Reichen jüngerer Sohn Johann VI., wohl der beste Regent,
den Nassau jemals besaß. Den niederländischen Freiheitskampf hat er unter großen Opfern
an Gut und Blut bis zur Selbsterschöpfung unterstützt; und als Haupt des Wetterauer
Grafenvereins, als Initiator des sog. nass. Landrettungswerkes, als Verteidiger des
Kalvinismus2) und Gründer der Herborner Hohen Schule hat er vorbildlich gewirkt. Nach
seinem Tod ist sein Land unter seine 5 Söhne geteilt: Wilhelm Ludwig eröffnet die
neue Linie N.-Dillenburg, Johann VII. die Linie N.-Siegen, die später in einen katholischen
und einen reformierten Zweig zerfällt; in letzterem ragen Johann VII., Johann Moritz und
Johann VIII. hervor. In Hadamar regierte seit 1606 Gf Johann Ludwig, der in der
Reichspolitik eine bedeutende Rolle spielte, in Beilstein Gf Georg, in Diez Gf Ernst Casimir.
Bis 1742 hat die Diezer Linie alle ottonischen Linien beerbt: 1702 N.-Oranien, 1711 N.-
Hadamar, 1738 N.-Dillenburg und zuletzt N.-Siegen. Wilhelm IV., nunmehr Erbstatthalter der
Niederlande, richtete 1742 in Dillenburg eine Zentralregierung ein, während er selbst in Den
Haag residierte.

Nach dem Verlust der linksrheinischen Gebiete verband sich Friedrich Wilhelm von Weilburg
mit dem letzten Usinger Friedrich August, und bei der Gründung des Rheinbundes 1806 ist
Nassau zum Herzogtum erhoben worden. Nach dem fast gleichzeitigen Tod der beiden
Herzöge wurden die nass. Lande in einer Hand vereinigt, in der des Herzogs Wilhelm, der
nun mit Marschall und Ibell einen fortschrittlichen, auch liberalen Staat aufzubauen begann.
Seinem Sohn Adolf ist die österreichfreundliche Politik, die er mit der Zeit annahm, zum
Verhängnis geworden: Nach dem Deutschen Krieg von 1866, in dem er für Österreich Partei
nahm, ist das Herzogtum dem preuß. Staat einverleibt worden: mit Frankfurt und Hessen-
Homburg bildete es nun den Regierungsbezirk Wiesbaden in der neu gebildeten Provinz
Hessen-Nassau. Als 1890 das nassau-ottonische Haus in den Niederlanden im
Mannesstamm erlosch, hat aufgrund des nass. Erbvereins Herzog Adolf als Großherzog den
luxemburgischen Thron bestiegen. Mit seinem Sohn Großherzog Wilhelm ist hier 1912 der
letzte, der walramische, Mannesstamm des Hauses Nassau erloschen.

Nassauische Biographie –Historische Kommision für Nassau

1)Begründer der Hauptlinie

*ottonische = Graf Otto I. 1247-1289
*walramische = Graf Walram 1235 – 1274

2)reformierter Protestantismus