Die „Obere Mühle“

Lange drehten sich in den benachbarten Dörfern schon die Mühlräder, ehe erstmalig in Rittershausen das Bestehen einer Mühle genannt wurde. Um 1352 wird bereits eine ‚Mühle in Eibelshausen erwähnt und etwa 110 Jahre später eine solche auch in Straßebersbach ( Ewersbach ). Nach einem Schreiben des Königlichen Staatsarchivs in Wiesbaden an den bekannten Heimatforscher Pfarrer Karl Nebe in Bergebersbach vom 11.12.1913 ist „die Mühle in Rittershausen kurz vor 1559 von einem Müller Jost angelegt worden mit Genehmigung des Grafen Wilhelm des Reichen von Nassau, und es war als Abgabe jährlich ein fettes Schwein an die Herrschaft zu liefern.“
Kurz vor Ausbruch des letzten Krieges soll – Angaben zufolge – der Mühlenbetrieb eingestellt worden sein.Bei der Mühle befand sich auch noch eine Dreschmaschine. Die Gemeinde hat diese in 1952 übernommen und auf dem oberen Dreschplatz, heute Vereinsheim des Verschönerungsvereins, wieder aufgestellt. Hier war sie noch einige Jahre im Gebrauch, bis sie etwa 1975 verschrottet wurde.
Die Mühle war bis 1830 ein einstöckiges Gebäude mit etwa 7 1/2 m Länge, 6 1/4 m Breite und 7 m Höhe. Johannes Schmitt I. und seine Mitbesitzer erneuerten in dieser Zeit das Gebäude in den bisherigen Abmessungen und ersetzten das Strohdach durch ein Schieferdach. Außer einer Schlafkammer für den Müller hatte das Haus keine weiteren Wohnräume.
1877 erwirbt Johannes Schäfer diese Mühle für 3.600 Mark und baut 1882 ein Wohnhaus an. Sein Sohn Ferdinand Schäfer übernimmt 1907 den Mühlenbetrieb. Er errichtet 1919 eine Scheune, erneuert 1928 die Mahlgänge und stockt im gleichen Jahr die Mühle auf. Der Schwiegersohn Wilhelm Stahl wird 1950 Eigentümer.
Bis 1930 holte der Müller mit Pferd und Planwagen das Mahlgut bei seinen Kunden ab und brachte das Mehl auch wieder zurück. Im Zuge der zunehmenden Motorisierung bauten Ferdinand Schäfer und seine beiden Söhne nun in Eigenarbeit auf das Fahrgestell eines Kraftfahrzeuges Opel-Blitz eine Zugmaschine. Der Antrieb erfolgte durch einen Deuz-Humbold Dieselmotor mit waagrechtem Zylinder, der eine Leistung von 18 PS erbrachte. An jeder Seite des Fahrzeuges befand sich ein Schwungrad, von denen jedes 3 Zentner wog. Mit einer eingebauten Kreissäge schnitten die Söhne bei ihren Fahrten durch die Dörfer nun auch noch das Haubergholz der Kunden.
Bis 1950 erfolgte der Antrieb des Mühlrades nur mit Wasserkraft. Das Wasser wurde aus der Dietzhölze abgeleitet und durch einen besonderen Graben (Mühlgraben) auf das Mühlrad geleitet, das sich dadurch drehte und die Mahlsteine in Bewegung setzte. Das Mühlrad hatte einen Durchmesser von 7 m und war 1 m breit. Bei ausreichendem Wasserzulauf wurde eine Leistung von 36 PS erbracht. In 24 Stunden konnten damit 20 Ztr. Korn gemahlen werden.
Die Installation eines elektrischen Anschlusses für den Mühlenbetrieb erfolgte in 1950, so daß bei Wassermangel durch die Zuschaltung eines Elektromotors der Mahlbetrieb weitergeführt werden konnte.
1960 drehte sich letztmalig das Mühlrad. Durch den Rückgang der Landwirtschaft und der im oberen Dietzhölztal immer mehr zunehmenden Sozialbrache war der Getreideanbau fast zum Erliegen gekommen. Der Mühlenbetrieb lohnte sich nicht mehr und mußte daher nach 400-jähriger Tätigkeit eingestellt werden.
265 Jahre nach der Errichtung der oberen Mühle beantragten in 1824 die Brüder Heinrich und Daniel Koch den Bau einer weiteren Mühle in Rittershausen. Ihrem Ersuchen stimmte die Herzoglich Nassauische Landesregierung in Wiesbaden zu und erteilte am 17.7.1824 folgende Erlaubnis :
„Den Gebrüdern Heinrich und Daniel Koch von Rittershausen wird auf ihr Gesuch um Erlaubnis zur Erbauung einer Mühle unterhalb des Dorfes Rittershausen an dem Dietzhölzbach zur Nachricht und Entschließung eröffnet, daß dieser Bitte unter der Bedingung, daß sie das Wasser aufzuspeichen sich nicht erlauben, sondern demselben immer freyen Lauf lassen, willfahrt worden ist.“
Die Gemeinde Rittershausen wird die Anlage einer zweiten Mühle wohl auch begrüßt haben, denn sie überließ den Gebrüdern Koch im Tauschwege den „Hüttenplatz“. Auf diesem Hüttenplatz, dessen Bezeichnung und Lage nur sehr wenigen Personen noch bekannt sein dürfte, hat 1613 eine „Blashütte“ gestanden, in der Eisen geschmolzen wurde. Obwohl diese Hütte in den folgenden Jahren noch einige Male genannt wird, hat sie keine besondere Bedeutung erlangt. Nach dem 30-jährigen Krieg ist sie auch nicht mehr erwähnt worden. Den Gebrüdern Koch schien dieses Grundstück zum Betrieb einer Mühle geeignet zu sein, zumal das alte Wassergrabensystem der ehemaligen Blashütte wohl leicht wiederhergestellt werden konnte.

Neben dem Betrieb einer Mahlmühle für Körnerfrüchte kam auch noch eine Ölmühle hinzu. Denn was die Menschen in der damaligen Zeit zum Leben brauchten, mußte möglichst selbst erzeugt, gesammelt oder angefertigt werden. Hierzu gehörte auch das Öl, das täglich in Küche, Haushalt und zur Beleuchtung benötigt wurde. Deshalb bauten sie auf den Feldern Raps, Flachs u. ä. an, sammelten im Herbst Bucheckern und ließen alles in der Ölmühle auspressen.

1854 erwarb Jost Blecher -genannt Hansjost- die untere Mühle und überließ sie seinem Schwiegersohn Daniel Aurand. Der Name Hansjost übertrug sich auch auf die Mühle, so daß sie „Hans-Mühle“ genannt wurde. Dieser Name hat sich bis heute erhalten.

Das Grundstück heute Ortsstraße 33 (Karl Paul) gehörte um 1860 Daniel Schmitt, einem Schwager des Müllers Daniel Aurand. Die hier stehende Scheune brach er 1864 ab und baute sie bei der Mühle wieder auf. Dem in der Mühle tätigen „treuen Gehilfen Philipp Kiehl“ überließ er 1865 sein Wohnhaus und er selbst zog zu seinem Schwager in die Mühle.

Nach Daniel Aurand übernehmen 1878 der Sohn August und 1903 der Enkel Louis Aurand den Mühlenbetrieb. Letzterer ersetzt 1911 das abgängig gewordene hölzerne Wasserrad von 3,75 m Durchmesser durch eine Turbine und erzeugt damit den zum Betrieb der Mühle erforderlichen Strom.